Standpunkt

„Standpunkt“ – an dieser Stelle beziehe ich Position zu Themen, die mich persönlich bewegen:
Diesmal geht es noch um die fadenscheinigen sog. Abwahlgründe und die insulare Zusammenarbeit.

Youtube-Video „Sylt wählt mit NEIN!“: https://youtu.be/-KMhDSYxxDg

Vielen Dank an SYLT1.tv für das nette Interview! Hier der Link zu Youtube: https://youtu.be/p7eJhlhPbOI


Die neue Landesgesetzgebung sieht die Einführung der wirtschaftlichen, betrieblichen Buchführung vor, die bisherige im Vergleich banale Einnahmen-Ausgaben-Rechnung wird abgelöst.
Grundlage der neuen doppischen Haushalte sind Anlagenbuchhaltungen, die, vergleichbar einer Inventur, sämtliches Vermögen schriftlich belegen und bewerten. Dies betrifft u. a. sämtliches Grundeigentum einschließlich Erwerbsverträgen, alle Straßen und Wege einschließlich Baujahr, technischem Straßenaufbau, Kanalleitungen, Straßenlaternen, Bänken, Verkehrszeichen und Baukosten. Wenn dies für Betriebe, die über eine Lagerwirtschaft und Finanzbuchhaltung verfügen, schon eine Herausforderung ist, dann ist das für fünf jahrhundertealter Gemeinden und fünf insular verzweigter Zweckverbände auf Sylt eine historische Herkulesaufgabe.
Fachwissen musste erworben und aufgebaut werden, Personal war einzustellen und Papierbelege – soweit auffindbar, vorhanden und nicht verschimmelt – waren einer digitalisierten Erfassung zuzuführen.
Dieser historischen Herkulesaufgabe haben wir uns als gesamte Inselverwaltung mit höchster Priorität gewidmet – mit ständig erweitertem Fachwissen, neuen Sachverhalten und in enger Abstimmung mit dem Kreis Nordfriesland.
Leider, und das ist eine Schwachstelle, sieht das neue Landesrecht keine Ausnahme von der zwingend vorzuhaltenden fertigen Anlagenbuchhaltung als Grundlage für den Haushalt vor, so dass die Kommunen auf Sylt trotz nachweislich großem Engagement und notwendiger Genauigkeit gezwungen waren, über die stark einschränkende sog. vorläufige Haushaltsführung zu agieren – die Umsetzung von einigen freiwilligen Leistungen war kaum möglich.
Aber wir haben es geschafft, aus dem vorgefundenen Chaos ein geordnetes, brauchbares System für alle künftigen Haushalte auf Sylt zu entwickeln.
Finanzausschuss, Fachausschüsse und Gemeindevertretung sowie die Öffentlichkeit einschließlich der Vereine und Verbände wurden laufend über die aktuellen Sachstände informiert.

Kompetenzüberschreitungen des Bürgermeisters wurden von politischer Seite nie angesprochen, festgestellt, gerügt, dokumentiert oder angezeigt.
In meinen neun Dienstjahren als Bürgermeister wurde nie eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht oder ein Disziplinarverfahren angestrengt.
Kompetenzüberschreitungen des Bürgermeisters hat es nie gegeben.
Die Kompetenzen von Bürgermeister und Politik sind in der Gemeindeordnung Schleswig-Holstein sowie in der Hauptsatzung klar geregelt und voneinander abgegrenzt.

Der erste Prüfbericht des Kreises Nordfriesland seit der Fusion, der einen Zeitraum von 2010 bis 2022 umfasst, betrifft fünf Dienstjahre meiner Amtsvorgängerin und sieben Jahre meiner Amtszeit.
Der verspätete Prüfbericht zeigt auf, dass trotz großer Anstrengungen aller Beschäftigten weiterhin Verbesserungspotentiale in der Verwaltung bestehen.
Nur vier Bemerkungen in dem knapp 130 Seiten umfassenden Bericht sind inhaltlich meiner direkten Verwaltungsleitung zuzuordnen; inhaltlich, aber auch rechtlich, sind einige Empfehlungen zumindest strittig, wenn nicht gar unrichtig. Das beste Beispiel ist das von mir erstellte Organigramm zur Strukturierung der Verwaltung. Organisatorisch lehnt sich dieses stark an die Organisationsstrukturen des Landes Schleswig-Holstein, des Kreises Nordfriesland sowie anderer Kommunen an und berücksichtigt die aktuelle Rechtslage. Natürlich ist auch dort eine Optimierung möglich, die Funktion der Stabstellen jedoch in Frage zu stellen und die Eingliederung in die Fachbereiche zu empfehlen widerspricht der geltenden Rechtslage z. B. für Statistikstellen und/oder Eigengesellschaftscontrolling. Die Eingliederung anderer Stabsbereiche, die verwaltungsübergreifend agieren, ist von der Ablauforganisation gar nicht darstellbar. Hier reicht ein Blick auf das Organigramm der Kreisverwaltung um zu sehen, dass sich selbst dort nicht an die eigenen Empfehlungen gehalten wurde – und das aus gutem Grunde.
Damit ist der verspätete Prüfbericht eine Hilfestellung, für die ich grundsätzlich dankbar war. Immerhin werden hier erstmals seit der Fusion die komplexen kommunalen, politischen und Verwaltungsstrukturen teilweise bis hin zur Ebene der Sachbearbeitung betrachtet.

Die Kritik an der Erfüllung meiner Informationspflichten wird ausdrücklich zurückgewiesen.
In jeder Sitzung unserer 44 Gremien der Gemeinde Sylt hat der Bürgermeister bzw. die Verwaltung in seinem Namen rechtskonform über besondere Themen berichtet. Im Hauptausschuss wurde seit Jahren vom Bürgermeister ein schriftlicher detaillierter Quartalsbericht abgegeben und auf der Homepage veröffentlicht.
Auch wurde u. a. in informellen Fraktionsvorsitzendengesprächen zu besonderen Themen informiert.
Jeder relevante Schriftverkehr, auch eMails, wurde an betroffene Funktionsträger weitergeleitet – weit über die gesetzlichen Regelungen hinaus.
Die Verwaltung und damit alle Mitarbeiter:innen waren beständig und kontinuierlich in die Vorbereitung von Sitzungen durch Berichte und Beschlussvorlagen eingebunden. Zusätzlich standen Politik, Bürgerinnen und Bürgern sowie der Presse die online-Dienste der Verwaltung auf der Homepage der Gemeinde zur Verfügung.

Natürlich fand auch eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Eigenbetrieben und Beteiligungsunternehmen statt.
Mit dem Geschäftsführer der EVS fand seit Jahren mindestens ein monatlicher Jour-fix statt, in dem eigenbetriebsrelevante Themen erörtert werden. Auf der Arbeitsebene von Gemeinde und EVS wurde alljährlich versucht, die Tiefbaumaßnahmen trotz stark abweichender Betriebsprozesse und rechtlicher Vorgaben zu synchronisieren.
Der Betriebsleiter des KLM hat seit Entwicklung des Eigenbetriebes weitreichende Kompetenzen erhalten, so dass eine konstruktive Zusammenarbeit allein schon durch die Einhaltung der definierten Prozesse sowie auf der Arbeitsebene – z. B. Stabstelle Ortsentwicklung, Fachdienst Schule, Jugend, Kultur und Sport – stattfand. Diese war auch konstruktiv, obwohl Gemeinde und Eigenbetrieb durch gesetzliche Vorgaben und Entscheidungskompetenzen unterschiedlich schnell agieren können.
Der Geschäftsführer des Tourismusservice informiert den Aufsichtsrat – dessen Mitglied ich bin – sehr engmaschig und detailliert. Auch wurde z. B. in Projekten wie der Aufhebung der Kurabgabe sogar insular konstruktiv zusammengearbeitet.
Es ist nicht aufrichtig, den Eigenbetrieben/-gesellschaften durch politische Entscheidungen größtmögliche Freiheiten zuzusprechen und dann dem Bürgermeister vorzuhalten, nicht konstruktiv mit den eigenständigen Betrieben zusammen zu arbeiten.

Die subjektiv als unzureichend empfundene Teilnahme an Gremiensitzungen ist eine oft vorgetragene, subjektiv empfundene Kritik.
Die Gemeinde Sylt hat 44 Gremien, die Insel Sylt mit ihren fünf eigenständigen Gemeinden und fünf Zweckverbänden mehr als 100 Gremien.
Schaut man sich die Häufigkeit von gemeindlichen und insularen Gremiensitzungen, die dem Bürgermeister per Rechtslage zugewiesenen Mitgliedschaften nicht-insularer Gremien, die Aufgaben als Verwaltungsleitung sowie Repräsentationstermine an, offenbart sich für jeden neutral Beobachtenden, das die Teilnahme an allen gemeindlichen, insularen und nicht-insulare Gremien bei gleichzeitiger Erfüllung der Verwaltungs- und Repräsentationsaufgaben schlicht unmöglich ist.
Der Versuch, diesem unrealistischen Wunsch gerecht zu werden, führt zwangsläufig in eine Überforderung ohne Qualitätssprung in der Sache.
Die Politik der Gemeinde Sylt sollte sich fragen, welche Leistungen vom Bürgermeister realistisch erwartet werden und mit welchem Zeitkontingent diese zu erfüllen sind. Bemerkenswert ist hierbei, dass die Vorsitzende des Hauptausschusses dem Amtsarzt in dem Auftrag zu meiner amtsärztlichen Untersuchung meine Wochenarbeitszeit mit 41,0 Stunden angegeben hat – vollkommen unrealistisch bei der Forderung nach noch mehr Präsenz in den Gremien.

Meine Verwaltungsorganisation war geprägt von rechtlichen Vorgaben, Beispielen von Land, Kreis und anderen Kommunen sowie wirtschaftlichen Prozessabläufen und sinnvollen Schnittstellen.
Die Verwaltungsorganisation korrespondierte unmittelbar mit der Organisationstruktur des Kreises Nordfriesland.
Die Personalführung oblag althergebracht und unverändert der Büroleitenden Beamtin, die für sämtliche Personalfälle – abgesehen von  Bürgermeister und Fachbereichsleitungen – eigenverantwortlich und abschließend zuständig war. 
Ich pflegte mit allen Beschäftigten einen kollegialen, wertschätzenden und achtsamen Umgang auf Augenhöhe, wobei ich leider zu wenig Zeit für offene Begegnungen einplanen konnte – dies korrespondierte mit der unrealistischen Forderung nach noch mehr Gremienpräsenz.
Wünschte eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter ein persönliches Gespräch mit mir, wurde dies immer umgehend möglich gemacht.

Bei den Vorwürfen zur unzureichenden Repräsentanz und zum Vertrauensverhältnis zu den kleinen Inselgemeinden muss auf die vorherigen Ausführungen zur Gremienteilnahme verwiesen werden.
Darüber hinaus besteht althergebracht ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen den kleinen Inselgemeinden und der dominierenden, beherrschenden ehemaligen Stadt Westerland.
Dies ist auch durch die Fusion und die als übergriffig empfundene Namensgebung „Gemeinde Sylt“ nicht besser geworden.
Für jeden neutralen Beobachter ist erkennbar: Die Insel Sylt hat ein strukturelles Problem.
Fünf eigenständige Gemeinden und fünf eigenständig agierende Zweckverbände, 100 Gremien auf Sylt haben naturgemäß nicht dieselben Ziele und/oder gleichen Wege zu ihren Zielen. Da sich die Gemeinden auf politischer Ebene generell nicht abstimmen, wird diese Dissonanz auf die Verwaltung projiziert, von dieser ausgebadet.
Würde die Politik das Verhältnis zwischen dominierender, beherrschender Gemeinde Sylt und den kleinen Inselgemeinden wirklich und nachhaltig verbessern wollen, bedürfte es einer insularen politischen Abstimmung sowie einer weiteren Fusion aller fünf Inselgemeinden.
Beide Lösungen lagen leider nicht in meiner Kompetenz, und die Kompetenzen des Bürgermeisters beabsichtigte ich nicht zu überschreiten.

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Nach dem abgewendeten Bürgerbegehren überlegt die Inselpolitik mit Unterstützung des Kreises Nordfriesland, wie die insulare Zusammenarbeit verbessert werden kann und ob ein insulares Gremium denkbar und möglich wäre, das verbindliche Entscheidungen für die gesamte Insel Sylt trifft.

Und natürlich wird überlegt, wie die Gemeinde Sylt die Aufgaben der Inselverwaltung besser und effizienter wahrnehmen kann.
Derzeit betreut die Inselverwaltung rd. 100 Gremien auf Sylt, die fünf eigenständigen Gemeinden, das Amt Landschaft Sylt, vier Zweckverbände, mehrere Stiftungen und setzen darüber hinaus die gesetzlichen Pflichtaufgaben um.

Meine ersten Denkansätze dazu sind:

01 | Schaffung eines insularen Zweckverbandes, dem insular wichtige Entscheidungen abschließend übertragen werden wie z. B. die Bauleitplanung und das Schulzentrum Sylt.
Dieser Zweckverband.Insel.Sylt sollte auch Steuerungs- und Koordinierungsfunktion haben.

02 | Auflösung von bestehenden Zweckverbänden, wie z. B. den Landschaftszweckverband Sylt und den Zweckverband Inselgemeinschaft Flugplatz Sylt.
Dadurch können die insulare Gremienvielfalt und der Verwaltungsaufwand reduziert werden.

03 | Die vielfältigen Ausschüsse z. B. der Gemeinde Sylt sollten durch Zusammenlegung reduziert werden. Auch dadurch würde der Verwaltungsaufwand deutlich reduziert werden.

04 | Den Ortsbeiräten sollten sollten Aufgaben der Ausschüsse zur abschließenden Entscheidung übertragen werden. Dadurch würden die Ortsbeiräte gestärkt und lange politische Entscheidungsprozesse vermieden werden.

05 | Freiwillige Leistungen sollten auf ihre Wirksamkeit und ihren Verwaltungsaufwand hin überprüft werden.
Freiwillige Leistungen ohne nachhaltige Wirkung sollten zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands aufgegeben werden.

06 | Um Prozesse zu beschleunigen sollten Richtlinien für die Verwaltung beschlossen werden, die dann nur noch von der Verwaltung abgearbeitet werden. So könnten z. B. Fördermittel für Vereine und Verbände schneller und ohne Gremienbetreuung ausgezahlt werden.

07 | Die Verwaltungsstruktur wäre an die neuen politischen Strukturen anzupassen, um die Gremienbetreuung und Aufgabenwahrnehmung effizienter zu gestalten.

08 | Auch könnte die Gemeinde Sylt dem Amt Landschaft Sylt beitreten.
Soweit durch Übertragung von Aufgaben auf den Amtsausschuss umfangreichere Themen bzw. Entscheidungen als die in Ziffer 01 | genannten Möglichkeiten denkbar sind wäre dies eine weitere Option.
Dann könnte auch über die Einstellung eines Amtsdirektors/einer Amtsdirektorin als Leiter/Leiterin der Verwaltung nachgedacht werden, um die Leitung der Verwaltung vom Bürgermeister der Gemeinde Sylt abzukoppeln.
Ob diese kostenintensive Lösung bei gleichbleibenden Personalressourcen jedoch wirtschaftlich sinnvoll ist, wäre zu prüfen.

09 | Um aber wirklich eine insulare Zusammenarbeit zu gewährleisten gibt es nur eine Lösung:
Die Fusion aller fünf Gemeinden auf Sylt zu einer einzigen Gemeinde.
Eine einzige Gemeinde mit einer einzigen Gemeindeverwaltung.
Diese Lösung wird aber wohl ein Traum bleiben, zumindest werde ich dies wohl nicht mehr erleben dürfen – erleben dürfen in meinem Leben.
I have a dream: Sylt als Einheit. Sylt als eine Heimat.

Die Wut greift an und verletzt
wer wütet erkennt seine Grenzen kaum
wichtig was jeder dagegen setzt:
Wertschätzung! Sie gibt Respekt weiten Raum.

(Bernd Standhardt für Nikolas Häckel, www.meer-als-worte.de)

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